1976 beschließt Michel Foucault ein deprimierendes Gespräch über die Gefängnisse in der UdSSR mit seiner Diagnose, der realexistierende Sozialismus wie der Marxismus überhaupt hätten es versäumt, eine eigene Regierungsform zu erfinden und regierten stattdessen mithilfe einer totalitären Bürokratie. Angesichts dieser Zustände sei politische Fantasie gefragt, um neue Regierungsweisen zu finden, die weder liberal noch totalitär-bürokratisch seien: »Eine Ausübung der Macht zu erfinden, die keine Furcht bereitet. Das wäre es, das Neue.«
Die liberale Antwort darauf ist bekannt und lässt sich mit Habermas grob als Verknüpfung von öffentlicher und privater Autonomie im demokratischen Rechtsstaat fassen. Im Seminar wollen wir Argumente prüfen, die bezweifeln, dass die mit Autonomie gedachte Kombination von rechtsförmiger Selbstregierung so angstfrei ist. Außerdem wollen wir alternative Antworten auf die liberale Frage aus heterodoxen Traditionen wie dem Anarchismus diskutieren, um zu sehen, ob sie tatsächlich mit weniger Angst auskommen.
Allgemeine Literatur zur Vorbereitung zur Vorbereitung
Brunkhorst, Hauke (2014): Critical Theory of Legal Revolutions. Evolutionary perspectives. New York/London/New Delhi/Sydney: Bloomsbury.
Loick, Daniel (2012): Kritik der Souveränität. Frankfurt a. M./New York: Campus.
Menke, Christoph (2015): Kritik der Rechte. Berlin: Suhrkamp.
Neumann, Franz L. (1986): Angst und Politik. In: ders., Demokratischer und autoritärer Staat. Studien zur politischen Theorie. Hrsg. von Herbert Marcuse und Helge Pross. Frankfurt a. M.: Fischer, 261–291.