Frieder Vogelmann
Antrittsvorlesung
Frankfurt am Main
26. Mai 2021
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Für die mit vielen Milliarden gepamperte Hypothese, dass mehr CO2 mehr Temperatur erzeugt, gibt es keinen einzigen Beweis, […] auch nicht in einem der bislang veröffentlichten IPCC-Berichte. Alles, was in den letzten 30 Jahren »bewiesen« wurde, kommt aus Computermodellen, doch die versagen schon bei der Berechnung der Klimavergangenheit dramatisch, und bei der schon eingetretenen Zukunft – es gibt sie ja nun schon seit 30 Jahren – ebenso.
Die AfD sagt hier und heute der Irrlehre vom menschengemachten Klimawandel den Kampf an. Wir wollen den Ausstieg aus allen diesbezüglichen nationalen und internationalen Verträgen und Gremien. […] Wir wollen den Stopp der Finanzierung von Pseudowissenschaft. […] Dabei wissen wir die wirkliche, ideologiefreie Wissenschaft in allen Bereichen auf unserer Seite.
Karsten Hilse im Deutschen Bundestag, 23. März 2018
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Von Aristoteles’ Minimalanforderung
Zu sagen […], das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr.
Aristoteles, Metaphysik, IV. Buch, 1011b
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Von Aristoteles’ Minimalanforderung
Zu sagen […], das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr.
Aristoteles, Metaphysik, IV. Buch, 1011b
zu einer Schlussfolgerung, in der Wahrheit als Korrespondenz mit einer unabhängigen Wirklichkeit vorausgesetzt wird:
Was neu im postfaktischen Zeitalter zu sein scheint, ist die Infragestellung nicht nur der Idee, Wissen über die Wirklich haben zu können, sondern der Existenz dieser Wirklichkeit selbst.
Lee McIntyre, Post-Truth (2018), 10
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Es gibt keine liberale oder konservative Wissenschaft. Wenn wir eine empirische Frage stellen, sollte vor allem die vorliegende Evidenz zählen.
Lee McIntyre, Post-Truth (2018), 163
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Es gibt keine liberale oder konservative Wissenschaft. Wenn wir eine empirische Frage stellen, sollte vor allem die vorliegende Evidenz zählen.
Lee McIntyre, Post-Truth (2018), 163
In ähnlicher Weise verteidigen Vincent F. Hendricks und Mads Vestergaard das »Ideal der Arbeitsteilung« zwischen Wissenschaft/Journalismus einerseits und Politik andererseits: Erstere erkennen Tatsachen, letztere treffen wertbasierte Entscheidungen.
Schreibt man nun das Ideal der Arbeitsteilung ganz ab, ergibt sich daraus ein postfaktischer Kampfplatz, auf dem alles fließt und die Wahrheit das erste Opfer ist.
Vincent F. Hendricks & Mads Vestergaard, Postfaktisch (2018), 164
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Den Wissenschaftsverleugner_innen stehen also die Wissenschaftsverherrlicher_innen gegenüber. Doch ihr apologetisches Verständnis von Wissenschaft trifft auf drei schwerwiegende Einwände:
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Zunächst fällt auf, dass die gesamte Makrophysik ausgeschlossen wird. Atome oder Moleküle verbinden sich nicht nur zu lebenden Zellen, sondern auch zu vielen komplexen nicht-lebendigen Dingen. Die Wissenschaft muss also mindestens als ein Baum vorgestellt werden, zu dessen Ästen Gravitation, Elektromagnetismus, Kosmologie, Geologie und so weiter gehören, obgleich in der Tat unklar ist, wie auch nur diese Zweige in der Mikrophysik verwurzelt sein sollten.
John Dupré, The Disorder of Things (1993), 102
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Zunächst fällt auf, dass die gesamte Makrophysik ausgeschlossen wird. Atome oder Moleküle verbinden sich nicht nur zu lebenden Zellen, sondern auch zu vielen komplexen nicht-lebendigen Dingen. Die Wissenschaft muss also mindestens als ein Baum vorgestellt werden, zu dessen Ästen Gravitation, Elektromagnetismus, Kosmologie, Geologie und so weiter gehören, obgleich in der Tat unklar ist, wie auch nur diese Zweige in der Mikrophysik verwurzelt sein sollten.
John Dupré, The Disorder of Things (1993), 102
Ein Grund, aus dem es wichtig ist, mit dem Mythos der wissenschaftlichen Einheit aufzuräumen, besteht darin, dass man im Prinzip urteilen könnte, dass beispielsweise Makroökonomie oder die mathematische Populationsgenetik genauso glaubwürdig sind wie Chiromantie oder Kartenlesen, ohne dass man damit auf dieselbe Behauptung in Bezug auf Mechanik oder Immunologie festgelegt ist.
John Dupré, The Disorder of Things (1993), 11
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Die Suche nach dem Abgrenzungsproblem:
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Die Suche nach dem Abgrenzungsproblem:
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Die Suche nach dem Abgrenzungsproblem:
Probleme mit dem Falsifizieren:
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Die Suche nach dem Abgrenzungsproblem:
Probleme mit dem Falsifizieren:
Abbruch der Suche in den 1980er Jahren; das Abgrenzungsproblem wird zum Pseudoproblem (Larry Laudan) erklärt, das seine Popularität politischen Gründen im Kalten Krieg verdankt (Michael Hagner).
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Das apologetische Verständnis von Wissenschaft als
hebt wissenschaftliche Praktiken auf einen souveränen epistemischen Standpunkt, um ihre epistemische Autorität zu garantieren.
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Das apologetische Verständnis von Wissenschaft als
hebt wissenschaftliche Praktiken auf einen souveränen epistemischen Standpunkt, um ihre epistemische Autorität zu garantieren.
Doch dieser Standpunkt ist eine Fiktion.
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Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (1999), 112 f.
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Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (1999), 112 f.
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Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (1999), 112 f.
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Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (1999), 112 f.
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Wissenschaftliche Arbeit muss fünf Aufgaben meistern:
Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (1999), 119–131
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Wissenschaftliche Praktiken sind prekäre Konfigurationen sehr unterschiedlicher Elemente, die so angeordnet und zusammengehalten werden, dass daraus eine Wahrheit hervorgeht. Sie reihen Übersetzungsvorgängen aneinander, damit die durchgeführten Berechnungen tatsächlich Berechnungen eines Elements der Wirklichkeit sind.
Die Wahrheit zirkuliert in ihr [dieser Referenzkette; F.V.] wie die Elektrizität entlang eines Drahtes, und zwar solange, wie er nicht zerschnitten wird.
Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (1999), 85
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Der souveräne epistemische Standpunkt ist eine doppelt falsche Fiktion:
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Was wissenschaftliches Wissen genannt wird, wird also von einer Gemeinschaft produziert (in letzter Instanz der Gemeinschaft aller wissenschaftlich Tätigen) und überschreitet die Beiträge jedes einzelnen Individuums oder sogar aller Gruppen innerhalb der größeren Gemeinschaft. Sobald Propositionen, Thesen und Hypothesen formuliert worden sind, entscheidet sich in der kollektiven Arbeit durch Entgegensetzung und Vermischung verschiedener Standpunkte, was wissenschaftliches Wissen wird.
Helen Longino, Science as Social Knowledge (1990), 96
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Obwohl die drei vorgestellten Einwände gegen das Verherrlichen von Wissenschaften gute Gründe dafür liefern, die Pluralität, Historizität und Kontextualität wissenschaftlicher Praktiken ernst zu nehmen, trifft ein solches realistisches Verständnis immer wieder auf den Relativismusvorwurf: Ohne souveränen epistemischen Standpunkt besäßen wissenschaftliche Praktiken und das von ihnen hervorgebrachte Wissen keine epistemische Autorität mehr.
Der Relativismusvorwurf verbindet zwei Elemente, auf die man getrennt antworten muss:
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Der Begriff des Relativismus selbst ist eigentlich nichts anderes als eine abstrakte Negation oder eine Überspannung des abstrakten Absolutismus. Wenn die Erkenntnis von uns endlichen, armen und fehlbaren Wesen nicht gleich so sein soll, wie sie selbst die Scholastiker und Kirchenväter immer sich vorgestellt haben, nämlich als eine noch für den lieben Gott verbindliche Erkenntnis […], dann soll, so wird gefolgert, die Erkenntnis gleich gar nichts sein […].
Theodor W. Adorno, Erkenntnistheorie (1957/58), 360
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Um auf die berechtigte Sorge einzugehen, müssen wir das realistische Verständnis wissenschaftlicher Praktiken auf die Basis einer materialistischen Erkenntnistheorie stellen. Nach dem bisher Gesagten muss sie einerseits die drei Bedingungen des Materialismus erfüllen:
ohne andererseits relativistisch zu sein:
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Vier Merkmale:
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Muss ich, nachdem ich neue aufwühlende Fakten über meinen Ex-Ehemann erfahren habe, die »Wirklichkeit« unserer Ehe insgesamt anders bewerten? […] Ich war mehrere Jahre glücklich, wir entwickelten große emotionale Intimität und starke wechselseitige Unterstützung, und nachfolgende Offenbarungen über ihn können diese Geschichte niemals komplett verändern. Aber meiner Bewertung von ihm und von unserer Beziehung fehlten einige wichtige Elemente […]. Das liegt nicht einfach daran, dass er sich verändert hat oder ich mich, obwohl wir uns natürlich beide verändert haben. Es liegt daran, dass die Wahrheit meiner gelebten Wirklichkeit und selbst unserer geteilt erlebten Wirklichkeit sich verändert hat.
Linda Martín Alcoff, Real Knowledge (1996), 214 f.
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Emergiert Wahrheit als epistemische Kraft irreduzibel aus der sozialen Praktik oder ist die vermeintliche Wahrheit rückführbar auf andere Kräfte, Akteure oder sonstige Elemente in der sozialen Praktik?
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Emergiert Wahrheit als epistemische Kraft irreduzibel aus der sozialen Praktik oder ist die vermeintliche Wahrheit rückführbar auf andere Kräfte, Akteure oder sonstige Elemente in der sozialen Praktik?
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Emergiert Wahrheit als epistemische Kraft irreduzibel aus der sozialen Praktik oder ist die vermeintliche Wahrheit rückführbar auf andere Kräfte, Akteure oder sonstige Elemente in der sozialen Praktik?
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Emergiert Wahrheit als epistemische Kraft irreduzibel aus der sozialen Praktik oder ist die vermeintliche Wahrheit rückführbar auf andere Kräfte, Akteure oder sonstige Elemente in der sozialen Praktik?
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Das Beispiel zeigt nicht, dass die Praktiken von Klimawandelleugner_innen von politischen, ökonomischen und sonstigen Einflüssen »verunreinigt« sind.
Wissenschaftliche Praktiken sind nicht »reiner« – sie sind reichhaltiger, weil Wahrheit aus ihnen irreduzibel emergiert.
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