Angesichts der Flut von Unwahrheit in der Politik erstaunt es nicht, dass die kritische gemeinte Diagnose eines “postfaktischen Zeitalters” rasch populär geworden ist: sie zehrt vom Pathos, mit der sie die Wahrheit als notwendige Grundlage von Demokratie verteidigt. Erstaunlich ist jedoch, wie schnell sie eine Reihe älterer Konzepte in den Hintergrund gedrängt hat, die schon länger dazu dienten, Unwahrheit in der Politik zu benennen und zu analysieren. “Lügen”, “Ideologie” und “Propaganda” sind nur die prominentesten dieser Begriffe. Im Vortrag werden zunächst Probleme der populären Diagnose des “postfaktischen Zeitalters” beleuchtet, die sowohl theoretischer als auch praktischer Natur sind. Denn nicht nur ist diese Diagnose historisch, begrifflich und erkenntnistheoretisch unscharf, sie greift zudem auf autoritäre Weise in politische, wissenschaftliche und mediale Kämpfe ein. Deshalb erinnert der Vortrag an die Vor- und Nachteile älterer Begriffe, um Unwahrheit in der Politik differenzierter zu erfassen.